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Ein ‚zufälliger‘ Nachruf

Durch Zufall fällt das Gespräch auf eine Firma, mit der man vor längerer Zeit noch arbeitete. Man blickt kurzerhand auf Facebook und sieht, dass der letzte Eintrag bereits mehr als ein Jahr her ist. Man schaut weiter und erlangt keine Information, was einen veranlasst, mehr wissen zu wollen. Letztlich findet man mit Mühe heraus – die Firma gibt es nicht mehr und der Inhaber ist ebenso schon lange offline.

Man grübelt weiter und viele Fragen kommen hoch. Was ist passiert? Warum gibt es kaum Informationen? Und wie konnte mir so etwas entgehen in unserer vernetzten Welt?

Der Zufall lenkt die Gedanken weiter auf Leute, die man schon länger nicht wahrnahm. Facebook-Recherche, Internetsuche und eine traurige Erkenntnis: Zu spät!

“Nachdem du mit jemandem gesprochen hast, könntest du sagen: ‚Ich habe Ihnen gut zugehört.‘ Dies scheint dir vielleicht überflüssig, weil es gehört zu der Arbeit, dass du deine Patienten gut zuhörst. Klar. Also, wieso sollte man dies nochmal betonen? Weil für viele Menschen ist es gar nicht so einfach, den Schritt Richtung Psychologen zu machen, und dort ihre Geschichte erzählen. Oft hat man Angst nicht richtig verstanden, oder irgendwie nicht gehört zu werden. Also, wenn du nochmal betonst, dass du gut zugehört hast, kann dies dazu führen, dass Teil dieser Unsicherheit bei den Patienten verschwindet. Oder zumindest weniger wird.”

Viktor Staudt

Viktor Staudt hat sich am 8.9.2019 im Alter von 50 Jahren suizidiert.

Ich durfte ihn auf beruflichen Weg kennenlernen, wenn auch nur kurz. Ein offener, freundlicher und positiver Mensch – damals vielleicht Realität, war es später wohl nur noch bröckelnde Fassade.

Nach seinem ersten Suizidversuch schrieb er Bücher und hielt Vorträge zu Depressionen, Suizid und Borderline. Vielen konnte er in diesen Jahren helfen, Mut machen und sicher auch ein paar Entscheidungen beeinflussen.

Seinem eigenen Kampf ist er dennoch letztlich erlegen.

Zurück bleiben Erinnerungen und vor allem Fragen. Wie viele Leute sind bereits einfach verschwunden, ohne dass man es bislang bemerkt hat? Wieso hat man es erst durch Zufall erfahren? Wie wird man selbst irgendwann gehen und wird man es merken?

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Barbara E. Euler

    Danke fürs Erinnern! Viktor Staudt war eine bedeutende Größe im Bereich der Suizidprävention und der Bekämpfung der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen.

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